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Category: Sri Lanka News

Gefahren für die Unabhängigkeit Sri Lankas
und für die Freiheit des Volkes

Eine Veröffentlichung der Sri Lanka Association Berlin e.V.
zum 74. Unabhängigkeitstag Sri Lankas am 4. Februar 2022

Die Unabhängigkeit eines Landes ist nicht nur ein staatsrechtlicher Aspekt, sondern beeinflusst auch das Wohlbefinden der Bewohner. Wenn die Unabhängigkeit eines Landes spürbar gefährdet ist, so wird auch das Freiheitsgefühl der Menschen beeinträchtigt. Die Nachunabhängigkeitsgenerationen Sri Lankas, die über sieben Dekaden in Freiheit gelebt haben, sehen es als eine Verpflichtung der Regierung an, die Unabhängigkeit und damit die Freiheit des Volkes auf keinen Fall auf Spiel zu setzen. Für die jetzige Generation ist die Bewahrung der Unabhängigkeit eine Verpflichtung gegenüber der Heimat, der Kultur, der Sprache, den Traditionen und vor allem gegenüber kommender Generationen. Daher bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung, um die Unabhängigkeit des Landes langfristig zu bewahren. Die Verpflichtung erstreckt sich insbesondere darauf, dass freiheitsliebende Menschen bei ihrem gesellschaftlichen Handeln und bei der Ausübung ihrer demokratischen Rechte und Pflichten keine Entscheidungen treffen, die die Unabhängigkeit des Landes auch ansatzweise gefährden können.

Unterschiedliche Faktoren wie ethnische Konflikte, Wirtschaftskrisen und damit verbundene Abhängigkeiten vom Ausland, Demokratieabbau, Korruption oder Militarisierung können die Unabhängigkeit eines Landes bzw. die Freiheit des Volkes erheblich gefährden.

1. Ethnische Konflikte

Während des bewaffneten Konflikts zwischen der Regierung Sri Lankas und der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Elam) in der Zeit von 1983 bis 2009, der zeitweilig bürgerkriegsähnliche Zustände annahm, gab es zahlreiche Versuche ausländischer Mächte, einen Fuß in die Tür von Sri Lanka zu fassen.

Zwischen 1987 und 1990 führte die Indian Peace Keeping Force (IPKF), ein indisches Militärkontingent, eine sogenannte Friedensoperation in Sri Lanka durch. Es wurde unter dem Mandat des indisch-srilankischen Abkommens von 1987 zwischen J.R. Jayawardena und Rajiv Gandhi gebildet, das darauf abzielte, die dauernden Terrorangriffe und die damit verbundenen bürgerkriegsähnlichen Zustände in Sri Lanka zu beenden. Entgegen den Erwartungen entwickelte sich die Entwaffnungsmission zu einem erbitterten Krieg zwischen den Parteien, bis die IPKF 1989 auf Anordnung des neu gewählten srilankischen Präsidenten, R. Premadasa, und nach der Wahl der Regierung von V. P. Singh in Indien, begannen, sich aus Sri Lanka zurückzuziehen. Zahlreiche Beobachter des damaligen Geschehens sind sich einig, dass wenn die indische Armee seinerzeit erfolgreich gewesen und es zu dem vereinbarten Interims-Verwaltungsrat gekommen wäre, der Unabhängigkeitsstatus Sri Lankas zumindest angekratzt gewesen wäre.

Auch der langjährige Einsatz Norwegens als Friedensvermittler in Sri Lanka ist nicht unumstritten. Obwohl Norwegen seinerzeit als neutraler Vermittler fungierte , wird heute anhand Aussagen damaliger LTTE-Führungsmitglieder ersichtlich, dass Norwegen Mittel für die LTTE bereitstellte, um Kriegswaffen zu kaufen. Zusätzlich deuten einige von WikiLeaks veröffentlichte Dokumente darauf hin, dass Norwegen der LTTE in derselben Zeit eine hochwertige Satellitenausrüstung übergab. Diese Informationen stellen das Engagement Norwegens in Sri Lanka in einem anderen Licht dar. Die Interessen Norwegens bei diesem Konflikt sind nicht eindeutig. Die Annahmen schwanken von einer globalen politischen Einflussnahme eines wirtschaftlich mächtigen Landes bis hin zu der Sicherung von Bohr- und Fischereirechten, wobei die Letzteren zu den Hauptgeschäftsfeldern Norwegens gehören. Auch in diesem Fall wäre bei einem anderen Ausgang der Gespräche die Unabhängigkeit Sri Lankas hinsichtlich der Verwertung ihrer Off-Shore-Schätze in Gefahr geraten.

Nicht nur Indien und Norwegen, auch andere Staaten haben ihre Bemühungen zur politischen Einflussnahme in Sri Lanka fortgesetzt. Sri Lankas strategische Position in Südasien und seine Lage entlang der Seewege vom Nahen Osten und Afrika nach Nordostasien und zum Pazifik hat das Land zum Objekt wachsender Aufmerksamkeit der Großmächte werden lassen. China nutzte die Konfliktlage, um seine Position in Colombo zu stärken und seine Seehandelsrouten zu etablieren. Es lieferte Waffen und gab diplomatische Rückendeckung und erhielt im Gegenzug wirtschaftliche und strategische Konzessionen.

Die Vereinigten Staaten waren dagegen entschlossen, sich Chinas wachsendem Einfluss in Asien entgegenzustellen. In einem umfassenden Bericht mit dem Titel “Sri Lanka: Neuausrichtung der US-Strategie nach dem Krieg”, den der Außenpolitische Ausschuss des US Senats damals herausgab, wurde die Gefahr beleuchtet, die den strategischen Interessen der USA durch Chinas wachsenden Einfluss in Colombo drohen. Darin wurde erklärt, dass die USA es sich nicht leisten können, Sri Lanka an China zu verlieren. Es wurde eine Strategie vorgeschlagen, um den Einfluss der USA auf Sri Lanka durch wirtschaftliche, Handels- und Sicherheitsanreize zu stärken.

Wie diese Beispiele zeigen, ist der Zusammenhalt aller ethnischen und religiösen Gruppierungen eines Landes von immenser Bedeutung für die Unabhängigkeit eines Landes und damit auch für das Freiheitsgefühl des Volkes. Im Falle Sri Lankas ist es zwingend erforderlich, den hoffnungsvoll begonnenen, inzwischen ins Stottern geratenen, „Reconciliation Prozess“ zur Wiederversöhnung der Konfliktparteien bis zum Erreichen einer dauerhaften Versöhnung mit einer gemeinsamen nationalen Identität fortzusetzen.

Aussöhnung ist ein zentrales Thema nach einem innerstaatlichen Konflikt, da alle Konfliktparteien auch nach dem Ende eines bewaffneten ethnischen Konflikts Seite an Seite leben müssen. Da das Ende des bewaffneten Konflikts nicht automatisch zu einem Paradigmenwechsel führt, sind proaktiv vorangetriebene Versöhnungsprogramme, die auch die Behebung struktureller Ursachen, die zum Konflikt geführt haben, beinhaltet, unumgänglich.

Es ist von größter Bedeutung, Diversität als Chance für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg des Landes zu verstehen. Ob Buddhist oder Hindu, Moslem oder Christ, oder ob man Sinhala oder Tamil als Muttersprache spricht, wichtig ist die Identität, sich als Bürger Sri Lankas zu verstehen und andere auch als solche gleichberechtigt zu behandeln.

Politische Parteien, die Nationalismus verbreiten, sind Separatisten gleichzusetzen, da die Ausgrenzung ethnischer Gruppierungen eines Landes de facto eine Form von Separatismus ist. Solche Bewegungen sollten in jeder Hinsicht vermieden oder gar pro-aktiv opponiert werden , weil diese einen gefährlichen Weg gehen, welcher die Unabhängigkeit des Landes gefährden.

Weil nationalistischer Separatismus besser auf wirtschaftlich schwachem, als unsicher propagiertem und bildungsarmen Nährböden wächst, sind solche politischen Bewegungen selten bemüht die Wirtschaft des Landes anzukurbeln, Bildung zu fördern oder ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Daher ist es wenig verwunderlich, dass Entscheidungsträger, die auf dem Nationalismus-Ticket an die Macht gekommen sind, kein Interesse an einer florierenden Wirtschaft oder sicheren und gebildeten Bevölkerung haben. Vielmehr werden von solchen Regimen Unsummen für Prestige-Projekte wie luxuriöse Städtebaumaßnahmen ausgegeben, anstatt Maßnahmen des allgemeinen Wohlstands zu fördern. Auch die Förderung der Bildung, insbesondere für unterprivilegierte Schichten, bleibt ein nachrangiges Ziel nationalistisch angehauchter Regierungen. Feindbilder, egal ob in Form von bewaffneten inländischen Gruppierungen oder durch angebliche Einflussnahme ausländischer Mächte, sind für ihre Existenz essentiell.

Eine von ethnischen Themen dominierte Politik und eine daraus resultierende schlechte wirtschaftliche Entwicklung bedingen einen Teufelskreis, da das eine für das andere unerlässlich ist. Daher ist es von größter Bedeutung, einen erfolgreichen Aussöhnungsprozess zu implementieren, durchzusetzen und abzuschließen, da eine einheitliche Gesellschaft zu politischer Stabilität tendiert, während die von ethnischen Unterschieden dominierte Gesellschaft sehr konfliktsensibel bleibt und die Unabhängigkeit gefährden kann.

2. Wirtschaftskrisen und wirtschaftliche Abhängigkeiten

Wirtschaftliche Abhängigkeiten und geopolitische Interessen der Großmächte

Nach dem Ende des ethnischen Konflikts in Sri Lanka im Jahr 2009 investierte China massiv in Infrastrukturprojekte, um seine Position in Sri Lanka zu festigen. Es entwickelte sich eine Partnerschaft, weil Sri Lanka aus chinesischer Sicht nah an einigen der verkehrsreichsten Schifffahrtsrouten der Welt liegt und für die Pekinger Maritime Seidenstraße-Initiative ein wichtiges Mitglied in der Region des Indischen Ozeans ist. Für Sri Lanka war China ein bequemer Partner, um Großprojekte und Prestigevorhaben zu finanzieren, ohne umfangreiche Rentabilitätsberechnungen vorzulegen oder wirtschaftliche oder politische Reformen zusichern zu müssen.

Mit der neu gewonnenen wirtschaftlichen Stärke ist China bestrebt, ihre Macht auszubauen und die internationale Ordnung zugunsten Chinas zu verändern, um ihre strategischen Ziele zu erreichen. Ein vom US-Verteidigungsministerium veröffentlichter Bericht machte auf Chinas Bemühungen aufmerksam, eine robuste Auslandslogistik aufzubauen, um seinem Militär die Möglichkeit zu geben, international Einfluss zu nehmen. Sri Lanka ist ein Teil dieser Planung, die die Nutzung von zum Teil im Rahmen von Kreditausfällen gepachteten zivilen Einrichtungen, wie z.B. Häfen, auch für militärische Zwecke vorsieht.

Um weiteren Einfluss in dieser Region sind neben China auch Indien und die USA bemüht. Neu-Delhi bleibt besorgt über Chinas Einfluss in Sri Lanka. Die ständigen Zusicherungen führender srilankischer Politiker, dass Sri Lanka nichts gegen Indiens strategische Sicherheitsinteressen tun würde, sind bisher nicht ausreichend gewesen, um Indien zu beruhigen. Aufgrund der kritischen Finanzlage Sri Lankas ist Indien umso besorgter, dass Sri Lanka sich weiterhin an Peking wenden wird, um neue Investitions- bzw. Konsumfinanzierungen zu erhalten, was zu dem Verdacht führt, dass Colombo weiter in Pekings „Schuldenfalle“ tappen und mehr Territorium und Einfluss an China verlieren könnte.

Faktoren wie Sri Lankas derzeit extrem schwache Wirtschaft und das Fehlen einer langfristigen Strategie der vergangenen und der gegenwärtigen Regierung, um den wirtschaftlichen Problemen des Landes zu begegnen, verbunden mit Chinas Durst nach einem starken Standbein in der Region und seiner Fähigkeit, strategisch wertvolle kleinere Staaten zu beeinflussen, stellt eine gefährliche Situation dar, in der die Unabhängigkeit Sri Lankas bedroht scheint.

Gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise in Sri Lanka
Die Wirtschaft Sri Lankas befindet sich derzeit in einer noch nie dagewesenen Krise. Die Lebensmittelknappheit und die damit verbundene extreme Steigerung der Lebensmittelpreise, die teilweise auf eine höchstumstrittene, wenn nicht gar absurde, Gesetzgebung zur sofortigen Realisierung einer 100% ökologischen Landwirtschaft im gesamten Land zurückzuführen ist, führt zu einer gefährlichen Instabilität im Land. Es ist eine Schande, dass diese einstige Kornkammer des Ostens an der Seidenstraße mit ihren reichen Böden dermaßen runtergewirtschaftet wurde, dass Nahrungsmittel aus den Nachbarländern importiert werden müssen Es ist eine Schande für unsere Vorväter, die uns diese reiche Reiskultur vermacht haben.
Die Pandemie habe die ökonomische Lage lediglich verschärft. Die wirtschaftliche Lage Sri Lankas ist seit Jahrzehnten aufgrund fehlender Planung und Strukturpolitik, Politik der Parteiinteressen vor Landesinteressen und vor allem Korruption kritisch. Die Devisenreserven des Landes sind von mehr als 7,5 Milliarden Dollar im Jahr 2019 auf rund 2,8 Milliarden Dollar im Juli 2021 und auf 1,5 Milliarden Dollar im Oktober 2021 zurückgegangen. Im Dezember wurde der Wert mit einer chinesischen Kontokorrentlinie in Höhe von umgerechnet 1,6 Milliarden Dollar auf 3,1 Milliarden Dollar hochgestuft, Experten sehen diese unübliche Maßnahme, zweckgebundene Kreditlinien als Devisenreserven zu berechnen, als Schönfärberei.
Seit 2006 besorgt sich Sri Lanka zunehmend Darlehen auf dem internationalen Kapitalmarkt zu Zinssätzen, die wesentlich höher liegen als die für Darlehen von Organisationen wie der Weltbank oder der Asiatischen Entwicklungsbank. Diese Kredite wurden für den Konsum, vorwiegend für Investitionen in Autobahnen, einen neuen Flughafen, einen neuen Hafen, ein Cricket-Stadium, ein Convention Center in einer dünn besiedelten Region, etc. verwendet. Keines dieser Prestigeprojekte ist profitabel oder dient der Wirtschaft in einem vertretbaren Umfang. Dafür wurden notwendige Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentlicher Nahverkehr, die eher der ärmeren Bevölkerung dienen, vernachlässigt.
Nun scheint es, als wären die gleichen Machthaber von der wirtschaftlichen Realität eingeholt, sodass sie derzeit eine beispiellose Desinvestitionskampagne, gar ein Ausverkauf des Tafelsilbers, betreiben, welche das Land erschüttert. Es sind vor allem die erfolgten und derzeit in Verhandlung befindlichen Veräußerungen von Einrichtungen der Energiewirtschaft und der Infrastruktur, die die Bevölkerung in Sorge versetzt. Ferner sind verantwortliche Minister des Landes weltweit auf Betteltour, um kurzfristig die Lage zu lindern. Kreditlinien für den Import von Nahrungsmitteln und Medikamenten aus Indien, Währungsswaps aus Indien, China und Bangladesch sowie Kredite zum Kauf von Erdöl aus dem Oman sind einige dieser Maßnahmen. Diese Kredite bieten jedoch nur kurzfristige Entlastung und müssen zu hohen Zinsen schnell zurückgezahlt werden, was die Schuldenlast Sri Lankas zusätzlich erhöht. Eine langfristige Lösung z.B. unter Einbeziehung der IMF, scheut das Regime, weil dafür die Dekonzentration der Macht, derzeit nahezu komplett in der Hand einer einzigen Familie, und eine Entmilitarisierung des Landes, die ersten Bedingungen sein werden.
Die derzeitige wirtschaftliche Situation Sri Lankas und die damit verbundene Abhängigkeit von ausländischem Kapital ist nicht nur in höchstem Maße Besorgnis erregend, sondern stellt eine echte Gefahr für die Unabhängigkeit des Landes und für die Freiheit der Bürger dar.

3. Korruption und Militarisierung

Korruption bedeutet Chancenungleichheit und Freiheitseinschränkung

Der hohe Grad der Korruption unter den führenden Politikern in Sri Lanka ist kein Geheimnis. Korruptionsbekämpfer im In- und Ausland fordern die srilankische Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, nachdem die Pandora Papers den verborgenen Reichtum eines ehemaligen Regierungsmitglieds aufgedeckt haben, welches mit der regierenden Familie Rajapaksa eng verbunden ist. Aktivisten von Transparency International Sri Lanka fordern eine Untersuchung der Finanzgeschäfte von einer ehemaligen stellvertretenden Ministerin und ihrem Ehemann. Die Regierung Sri Lankas wird aufgefordert, Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe zu untersuchen, nachdem das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) berichtet hatte, dass das Paar Vermögenswerte im Wert von über 17 Millionen US-Dollar in geheimen Offshore-Trusts hielt.

Die Ermittlungen kommen zu einer Zeit, in der es der Wirtschaft extrem schlecht geht und die Bürger die Härten der desaströsen wirtschaftlichen Lage täglich und hautnah spüren. Damit dürfte diese Nachricht die ohnehin steigende Verärgerung in der Bevölkerung weiter befeuern. Trotz dieser Situation hat die srilankische Regierung kürzlich eine umstrittene Steueramnestie genehmigt, die es Personen mit nicht offengelegtem Vermögen und Einkommen ermöglichen würde, Strafen und strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden, wenn sie ihr Vermögen offenlegen und 1 % Steuern zahlen.

Es ist die herrschende Meinung in der Bevölkerung, dass führende Politiker an fast allen staatlichen Kontrakten nicht zu knapp verdienen. Das System hat einen derartigen Korruptionsstand erreicht, dass Spitzenpolitiker und ihre Verbündete mit über Nacht per Gesetz verabschiedeten, kurzzeitigen Änderungen der Importzölle Milliarden zulasten der Staatskasse kassieren. Regierungsnahe Geschäftsleute verfügen teilweise über Sonderprivilegien für den Import von Waren. Laut einem Bericht des Colombo Telegraph vom 20.08.21 wird einer der engsten Verbündeten des Präsidenten beschuldigt, am Verkauf von importierten Rapid-Antigen-Tests (Schnelltests) zu überhöhten Preisen an Krankenhäusern außerordentlich gut verdient zu haben. Weitere Verbündete des Regierungsclans haben ebenfalls Berichten des Colombo Telegraphs zufolge durch die Quarantänemaßnahmen während des Lockdowns in der ersten Jahreshälfte unsittliche Provisionen kassiert.

Energie- und Infrastrukturgeschäfte stellen laut Medienberichten einen weiteren Bereich dar, in dem sich die politisch Verantwortlichen durch intrasparente Deals bereichern. Mehrere Print- und Online-Medien berichteten zuletzt von einem Gas Scam (Gas-Betrug), bei dem es einerseits durch eine Veränderung des Gasgemisch-verhältnisses in Flüssiggaszylindern (LNG) zu Explosionen in zahlreichen Haushalten des Landes kamen (in Sri Lanka kochen die meisten Haushalte mit LNG-Gaszylindern), anderseits durch eine unerklärliche Gasknappheit im ganzen Land längere Schlangen an Gaszylindertauschstationen zu sehen waren. Inwieweit hier finanzielle Interessen von Politikern oder Aufsichtsversagen von Behörden eine Rolle spielt, ist noch ungeklärt.

Economynext (https://economynext.com) berichtete am 23.09.21 davon, dass laut Ingenieuren des staatlichen Energieversorgers die Staatskasse Sri Lankas Hunderte von Millionen Dollar wegen eines Hintertür-Deals mit Flüssigerdgas (LNG) mit einem US-Unternehmen verlieren könnten. Die Energiesicherheit wäre damit ebenfalls untergraben, da die LNG-Versorgung für das nationale Stromnetz von einem einzigen Unternehmen abhängig wäre und das staatliche Electricity Board daran gehindert wäre, künftig von dem billigsten Anbieter zu kaufen. New Fortress Energy mit Sitz in den USA hat diesem Bericht zufolge künftig ein Monopol zur Lieferung von 1,2 Millionen Gallonen Flüssigerdgas pro Tag an das staatliche Ceylon Electricity Board. Es ist unklar, wie der Deal ohne offene Ausschreibung für den Verkauf eines 40-prozentigen Treasury-Anteils an einem Kraftwerk zustande kam. Es gibt im Lande nicht nur zahlreiche Proteste und Korruptionsvorwürfe von den Oppositionsparteien und von dem Ceylon Electricity Board (CEB) nahstehenden Gewerkschaften, sondern auch einige Mitglieder der Regierungsparteien beklagen ein ausländisches Monopol im Energiesektor durch den willkürlichen Verkauf.

Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen, dass Länder, in denen viel Korruption herrscht, einen geringeren materiellen Wohlstand aufweisen. Durch Korruption werden wirtschaftliche Strukturen ineffizienter und die Lebenshaltungskosten der Menschen teurer. Studien zufolge verzerrt Korruption öffentliche Ausgaben zulasten von Bildungs- und Gesundheitsausgaben, dagegen fließen überdurchschnittlich viele Mittel zugunsten Macht demonstrierender Prestigeprojekte sowie als Militärausgaben. Korruption fördert Chancenungleichheit und führt zu geringerem Wohlstand in der Gesellschaft. Nicht nur wirtschaftlich leiden die Menschen unter Korruption, sondern sie müssen auch mehr Freiheitseinschränkungen hinnehmen.

Militarisierung ist eine Gefahr für demokratische Prozesse, politische Rechte und bürgerliche Freiheiten sowie für die wirtschaftliche Entwicklung

Neben zahlreichen undurchsichtigen Deals stellt die verstärkte Militarisierung des Landes eine weitere Gefahr für die Demokratie Sri Lankas und für die Freiheit des Volkes dar. Präsident Rajapaksa berief massenhaft pensionierte und dienende Militärgeneräle in Führungspositionen und unterstellte damit zivile Einrichtungen dem Verteidigungsministerium. Die Maßnahmen untergraben das Gefüge der Zivilgesellschaft und deutet auf eine umfassende Militarisierung aller Bereiche des öffentlichen Lebens hin. Die stetig steigenden, im internationalen Vergleich gemessen am Anteil des BIP hohen Militärausgaben des Landes werden trotz der Wirtschaftskrise zur Sicherung des eigenen Machterhalts weiterhin aufrecht erhalten.

Asiens älteste Demokratie und ein Land, das selbst während der schlimmsten Phasen seiner turbulenten Geschichte eine lebendige Zivilgesellschaft intakt gehalten hat, schaut einer schleichenden Militarisierung des Landes ohne größeren Widerstand zu. Die Militarisierung erstreckt sich auch auf die Wirtschaft, wodurch eine neue bürgerliche Schicht vorwiegend im Rahmen von Infrastrukturprojekten, finanziert durch chinesische Kredite, zum Wohlstand gekommen ist.

Neben den Ex-Generälen, denen Präsident Rajapaksa kurz nach seiner Ernennung die Führung der Hafenbehörde, der Zollbehörde oder der Telekomunikation-Regulierungsbehörde übertragen hat, wurden dem amtierenden Befehlshaber der Armee die Führung der Covid-Taskforce und einem amtierenden Major-General der Armee die Leitung der Kommission für die systemrelevanten Dienstleistungen übertragen. Ziel dieser neugeschaffenen Einheit ist die Sicherstellung der Versorgung essentieller Lebensmittel sowie die Preis- Lagerbestandskontrolle, um in der Devisenknappheit diesen Bereich streng unter staatliche Kontrolle zu bringen. Inzwischen hat das Regime ein weiteres Grundrecht angetastet und dieses der Kontrolle des Militärs unterstellt. Künftig ist für die Eheschließung srilankischer Staatsbürger mit einem ausländischen Partner eine «Sicherheitsüberprüfung» des Verteidigungsministeriums erforderlich.

Die Militarisierung eines Landes ist die Vorstufe des Demokratieabbaus und Etablierung von diktatorischen Strukturen. Solche Strukturen richten sich vornehmlich nicht gegen Terrorismus oder organisierte Kriminalität, denn diese können auch im Rahmen einer Demokratie verteidigt werden, sondern gegen das Volk, vor allem gegen das „einfache Volk“. Auch wenn die heutige Regierung unter anderem aufgrund ihrer ethno-nationalistischen Parolen an die Macht gekommen ist, wird der gegenwärtige diktatorische Kurs nicht von den Massen getragen. Obwohl die Toleranzschwelle des srilankischen Volkes hinsichtlich des latenten Demokratieabbaus höher zu sein scheint als erwartet, wird sich das Volk mit großer Wahrscheinlichkeit ihr demokratisches Wahlrecht nicht nehmen lassen. Dieses gilt in Sri Lanka als eine Selbstverständlichkeit.

Das Vertrauen in die Politik ist durch die genannten Faktoren parteiübergreifend erschüttert. Die Demokratie ist in Gefahr, weil das Vertrauen in die politischen Institutionen nicht mehr gegeben ist und sogar an der Unabhängigkeit der Institutionen gezweifelt wird. Damit werden die unverzichtbaren Voraussetzungen eines demokratischen Systems verletzt. Demokratie ist nicht nur ein Verfahren oder eine reine Mehrheitsentscheidung, sondern die Demokratie ist an Werte gebunden, die erst die Freiheit und Entfaltung der Bürger ermöglicht und auch Minderheiten diese Rechte gewährt. Wenn Menschen ihre Freiheit und ihr Recht auf Selbstverwirklichung verlieren, leiden ihre Motivation und Innovationsfähigkeit, für sich und damit auch für die Entwicklung des Landes mit Engagement tätig zu werden. Ein Beispiel dafür ist die verstärkte Abwanderung qualifizierter Fachkräfte vorwiegend in demokratisch geführten Ländern Europas. Die Wiederbelebung einer krieselnden Wirtschaft ist in einer liberalen Demokratie mit pluralistischen, gleichberechtigten Strukturen schneller erreichbar als in einer als korrupt geltenden Autokratie.

Die Sri Lanka Association Berlin e.V. ist bisher nur selten mit politischen Veröffentlichungen in Erscheinung getreten. Wenn, dann ging es oftmals um Gegendarstellungen zu fehlerhaften Berichtserstattungen in europäischen Medien, um Schäden am Image des Landes zu vermeiden, oder aber um terroristische Aktivitäten zu verurteilen bzw. um über die tatsächlichen Hintergründe bzw. politischen Zusammenhänge aufzuklären. In dieser politisch und wirtschaftlich kritischen Situation in Sri Lanka sehen wir es als unsere Pflicht an, über die sichtbaren Gefahren zu berichten, die mittel- und langfristig unsere Demokratie, unsere Freiheit oder gar unsere Unabhängigkeit kosten können.